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Die frühen Kritiker des Christentums

von Dr. Wolfgang Proske

 

Parallel zur Entstehung des Christentums entstand auch die Kritik dieser neuen Religion. Wir wissen davon heute leider nur noch sehr bruchstückhaft, denn mit dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion verbunden war die zunehmend brutale Verfolgung ihrer tatsächlichen und vermeintlichen Gegner sowie die möglichst vollständige Ausrottung aller antichristlicher Schriften. So ordnete 325 Kaiser Konstantin mit der Vernichtung der Schrift des Porphyrios „Gegen die Christen“ erstmals eine Bücherverbrennung im Interesse des Christentums an; nach 448 ist kein einziges Exemplar dieser Schrift mehr belegt.

Von den heute noch bekannten Autoren sind am wichtigsten Celsus, Porphyrios sowie der römische Kaiser Julian, dem die Christen später den Beinamen „Apostata“ (= der Abtrünnige) gaben. Sämtliche Texte dieser Autoren mußten aus christlichen Widerlegungsversuchen, die die Zeit überdauerten, rekonstruiert werden. Die Rehabilitierung dieser frühen Freigeister erfolgte erst während der Renaissance sowie der Aufklärung.

  Im folgenden werden die wichtigsten Argumente der drei genannten Christentumskritiker zusammengefasst. Am Ende dieser Zeilen folgen Literaturhinweise zum selbständigen Weiterlesen.


CELSUS (2. Jhdt.)

 

178 wird mit der Schrift des Celsus „Die wahre Lehre“ erstmals eine christentumskritische Schrift veröffentlicht. In diesem Buch verteidigt Celsus die traditionelle weltanschauliche Lehre, wie sie im griechisch-römischen Kulturkreis entwickelt wurde. (I, 14) Sein Hauptziel ist die Verteidigung des Römischen Reiches; mit Sorge sieht er, wie das Imperium von innen her zerbrösele. Die Ursache dafür sieht er zusammenfassend im Aufkommen blanker Unvernunft.

 

70 Jahre später veröffentlicht Origines 248 seinen Versuch einer Widerlegung mit dem Titel „Gegen Celsus“. Da die Schrift des Celsus im Laufe der Jahrhunderte von christlichen Fanatikern verbrannt wurde, wo immer man ihrer habhaft wurde, musste das Buch des Celsus anhand von Zitaten aus Origines rekonstruiert werden.

Seine Kritik am Christentum beinhaltet folgende Punkte:

 

1.  Nach Celsus ist das Christentum eine Lehre für Ungebildete. Die christliche Lehre habe „nur bei einfältigen Leuten Herrschaft gewonnen, da sie selbst einfältig sei und wissenschaftlichen Charakters entbehre.“ (I, 27) An anderer Stelle spricht er von „einfältigen, gemeinen und stumpfsinnigen Menschen“, von „Sklaven, Frauen und Kindern“ als Anhängern des Christentums. (III, 44) Vor Gebildeten, die derartigem „Betrug“ gegenüber nicht zugänglich wären, würden die Christen flüchten. (VI, 14)

2.  Das Christentum biete inhaltlich nichts Neues, sondern wiederhole diverse, den Gebildeten längst bekannte Ideen wie z. B. die Feindesliebe, die Demut, die Geringschätzung des Reichtums, eine Gottessohnschaft, die Ablehnung der Bilderverehrung, eine Jungfrauengeburt. Er bemerkt, dass „diese Dinge besser bei den Griechen ausgedrückt seien und ohne hochfahrendes Wesen und Ankündigungen, wie wenn sie von Gott oder dem Sohn Gottes kämen.“ (VI, 1)

3.  Celsus verurteilt die zunächst jüdische Idee einer besonderen göttlichen Vorsehung für das an ihn glaubende Volk. Die Juden werden als peripheres Volk dargestellt, „vollständig ungebildete Leute“ (IV, 36); ironisch fasst er ihre Behauptung, auserwählt zu sein, so zusammen: „Wir sind es, denen der Gott alles zuerst offenbart und verkündet; die ganze Welt und die Bahn der Himmelskörper lässt er im Stich und kümmert sich auch nicht um die weite Erde, sondern regiert uns allein und begrüßt uns allein durch seine Boten und hört nicht auf, zu senden und zu forschen, damit wir immer mit ihm verbunden bleiben.“ (IV, 23)

4.  Die Christen haben den obersten Gott unzulässig und gemäß ihrem anthropozentrischen Weltbild vermenschlicht: „Die Christen legen dem Gott einen recht großen und ganz irdischen Ehrgeiz bei.“ (IV,6) Irdische Dinge seien ihm gleichgültig. In Wahrheit sei es schlichtweg dumm, sich den obersten Gott in einer leidenden, das Göttliche verbergenden Gestalt vorzustellen.

5.  Die Menschwerdung des obersten Gottes, die die Christen behaupten, sei alleine angesichts der völlig ungeeigneten Persönlichkeit des Jesus von Nazareth und seiner unwürdigen Lebensführung Unsinn. U.a. erwähnt Celsus, Jesus sei der uneheliche Sohn der Maria mit dem römischen Soldaten Panthera gewesen.

6.  Die Abstammung des Jesus von Nazareth von Adam, dem vermeintlich ersten Menschen, sei unglaubwürdig, wie überhaupt die jüdisch-christlichen Geschichtsphilosophie ein „Märchen für unmündige Kinder“ sei. (IV, 41) Vor allem die Behauptungen, in seiner Person hätten sich diverse alttestamentarische Prophezeiungen erfüllt, seien eine nachträgliche Erfindung seiner Anhänger.

7.  Überhaupt die „Menschwerdung“: „Was hat denn ein solches Herabkommen des Gottes für einen Sinn? Etwa, damit er die Zustände bei den Menschen kennenlerne? Weiß er denn nicht alles? Er weiß es also, bessert´s aber nicht, und es ist ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern? ...außer wenn er leibhaftig jemanden zu diesem Zwecke sandte?“ Celsus bestreitet deshalb den Christen, an die göttliche Allmacht zu glauben: „Wie kann er unfähig sein, (die Menschen) zu überreden und zurechtzuweisen?“ (VI, 53) Erneut würden die Christen sich selbst viel zu wichtig nehmen: „Wie kann er, da sie undankbar und schlecht geworden sind, über sie Reue empfinden und seine eigene Kunst tadeln und hassen und drohen und die eigenen Geschöpfe zugrunderichten?“ (VI, 53)

8.  Die Christen wenden sich laut Celsus ausgerechnet an die „Sünder“: „Wer ein Sünder ist, sagen sie, wer unverständig, wer unmündig und wer mit einem Wort unglückselig ist, den wird das Reich Gottes aufnehmen. Meint ihr damit nicht ... den Ungerechten und Dieb und Einbrecher und Giftmischer und Tempelräuber und Grabschänder? Was für andere Leute hätte wohl ein Räuberhauptmann berufen?“ (III, 59) Dem stellt Celsus positive Beispiele gegenüber: „Warum ... wurde (Jesus) nicht zu den Sündlosen gesandt? Ist es denn etwas Böses, keine Sünden begangen zu haben?“ (III, 62)

9.  Der christliche Glaube sei in sich höchst widersprüchlich. So befehle der alttestamentarische Gott durch Moses seinen Anhängern, reich zu sein, zu herrschen und ihre Feinde „Mann für Mann“ und „ohne Unterschied des Geschlechts“ hinzumorden; Jesus hingegen predige, daß „wer reich oder herrschsüchtig sei oder auf Weisheit oder Ruhm Anspruch erhebe, gar keinen Zutritt zum Vater haben solle... Wer lügt da, Moses oder Jesus? Oder vergaß der Vater, als er diesen sandte, was er mit Moses verabredet hatte? Oder hat er seinen Sinn geändert und seine eigenen Gesetze verdammt und sendet deshalb den Boten mit ganz entgegengesetzten Bestimmungen ab?“ (VII, 18)

10. Abstoßend empfindet Celsus die christliche Idee einer körperlichen Auferstehung des Fleisches. Sie sei „geradezu für Würmer passend. Denn welche menschliche Seele dürfte sich wohl noch nach einem verwesten Leibe sehnen?“ (V, 14) Und: „...welcher zerstörte Leib wäre wohl imstande, zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit und zu ebenjenem ersten Zustand, aus dem er gelöst wurde, zurückzukehren? Da sie hierauf nichts zu antworten wissen, so behelfen sie sich mit der höchst abgeschmackten Ausflucht, dass für Gott alles möglich wäre.“ (V, 14)

11. Die Christen seien angesichts der dürftigen Grundlagen ihres Glaubens notwendigerweise von Anfang an in diverse Grüppchen und Sekten gespalten. Ihre einzige Gemeinsamkeit sei ihr Name. (III, 10-12)

12. Juden und Christen neigten zum Aufstand gegen die Staatsgewalt. Sie verachteten die Tradition und zögen sich in geheime Zirkel zurück. Sie würden offen oder versteckt gegen die Sitten und gegen das allgemeine Gesetz handeln. Sie leben zurückgezogen und seien am Staat völlig desinteressiert, weswegen sie als Gegner der Zivilisation zu Wegbereitern der Barbarei würden.

13. Celsus fordert daher die Christen auf, aus den Winkeln des Reiches herauszukommen und sich am Staatsleben zu beteiligen.

 

PORPHYRIOS (um 233 - 301/05)

 

Porphyrios ist einer der wichtigsten Gelehrten seiner Zeit, von dem insgesamt 80 Schriften zu verschiedenen Themengebieten bekannt sind. Seine Streitschrift „Gegen die Christen“ verfiel dem Verdikt. 325 ordnete Kaiser Konstantin während des Konzils von Nicäa ihre Vernichtung an - die erste bekannte Bücherverbrennung im Interesse des Christentums. Nach 448 scheint es kein vollständiges Exemplar mehr gegeben zu haben. Im Unterschied zu Celsus existiert auch keine der Streitschriften mehr, die von christlicher Seite und mit ausdrücklichem Bezug auf sein Werk geschrieben wurden. Seine Thesen lassen sich nur durch beiläufige Erwähnungen und Zitate späterer Autoren rekonstruieren. Außerdem tauchte 1867 eine etwa um 400 entstandene Auseinandersetzung mit seiner Schrift gegen die Christen auf, wobei der Autor Makarios Magnes allerdings schon nicht mehr wusste, wer diese Schrift verfasst hatte. Offenbar hatte jemand das Buch des Porphyrios anonym überliefert.

 

Porphyrios ist Wissenschaftler. Schon deshalb setzt er sich mehr als Celsus inhaltlich mit dem Christentum auseinander. Er praktiziert die Methoden der Quellenkritik und deckt auf diese Weise diverse Unstimmigkeiten in der christlichen Lehre auf. Porphyrios setzt auf die Vernunft, wenngleich auch er nicht frei ist von Dämonenglauben; die Christen erscheinen ihm als Musterbeispiele unvernünftigen, spekulativen und vertrauensduseligen Denkens und Handelns. Er spricht u.a. von „leerem Geschwätz“ und „schwindlerischem Theater“ (49/12; 55/18).

 

1.  Porphyrios kritisiert, dass das Christentum sich bewusst um Unvernunft und Unwissenheit bemühe. Nur so sei zu verstehen, dass „Armut und Bedürftigkeit“ den Menschen in den Himmel führe, nicht sein sittliches Verhalten. Er vermutet, diese Gedanken könnten kaum von Jesus selbst stammen, „sondern von armen Leuten, die sich durch solch leeres Gerede den Besitz der Reichen aneignen wollten.“ (Nr. 58, Makarios III, 5)

2.  Porphyrios kritisiert die frühen Vertreter des Christentums, vor allem Petrus und Paulus. Wegen erwiesenen schlechten Charakters - er spricht u. a. von Meineid und Habsucht - seien sie unglaubwürdig.

3.  Angesichts der vielen Prophezeihungen über Jesus stellt Porphyrios die Frage: „Wer hat gesagt, dass Christus gekreuzigt werden würde?“ (Nr. 68, Makarios III, 3)

4.  Porphyrios fragt, was von einer Lehre zu halten sei, nach der irgendwann einmal der Himmel, „dessen erhabene Schönheit durch nichts übertroffen wird“, zerstört wird, andererseits aber „verweste und verwüstete Menschenleiber ... auferstehen.“ (Nr. 94, Makarios IV, 24)

5.  Feinsinnig kritisiert Porphyrios die Drohung des Jesus auf ewige Qualen für Ungläubige. Zunächst zitiert er die Bibel: „Mit welcherlei Maß ihr messt, mit dem wird euch zugemessen werden“ (Neues Testament, Matthäus, VII, 2) -„wahrlich lächerlich und widerspruchsvoll. Denn wenn er Strafe nach Maß zuteilen will und wenn zum Maß die zeitliche Begrenzung gehört, was will er da mit der Drohung grenzenloser Qual?“ (Nr. 91, Augustinus, Epist. 102, 22)

 

Besonders bedeutungsvoll erscheinen mir zwei weitere Argumente des Porphyrios gegen die Christen: Zum einen die Kritik an der Schuldentledigung durch die Taufe, zum anderen die Kritik am prinzipiellen Kannibalismus im Christentum. Freiheit von Schuld durch Taufe. Und was den Kannibalismus betrifft, so ist dies der Kern dessen, was Christen bis heute in ihrer Eucharistie bzw. Wandlung als besonders heilig betrachten. Zur Erinnerung: Beim „Letzten Abendmahl“ brach Jesus ungesäuertes Brot, trank Wein und sprach dazu: „Nehmet; esset; das ist mein Leib“ und über dem Kelch sprach er: „Trinket alle daraus, das ist mein Blut...“ (Matthäus 26, 26-28).

 

6.  Zuerst die Taufe: „... aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes“ (Neues Testament, 1. Korinther VI, 11). Darüber wundern wir uns und sind wahrlich ganz ratlos, dass ein Mensch von solchen Befleckungen und Greueln ein für allemal reingewaschen und als unbefleckt angesehen werden kann, dass er, der sich in seinem Lebenswandel die Schandmale solcher Zügellosigkeit zugezogen hat - der Hurerei, des Ehebruchs, der Trunkenheit, des Diebstahls, der Knabenliebe, der Giftmischerei und tausend anderer übler und abscheulicher Handlungsweisen -, allein dadurch, dass er sich taufen lässt und den Namen Christi anruft, mit Leichtigkeit davon befreit wird und die ganze Schuld abstreift wie eine Schlange ihre alte Haut.“ (Nr. 69, Makarios III, 15)
Porphyrios kritisiert hier ein Verhalten, das vor allem durch die spätere Annahme des Christentums durch Kaiser Konstantin auf seinem Totenbett bekannt wurde.

 

7.  Dann die Eucharistie: „Viel zitiert ist folgendes Wort des Meisters: `Werdet ihr nicht essen mein Fleisch und trinken mein Blut, so habt ihr kein Leben in euch´ (Neues Testament, Johannes VI, 53). Das ist wahrlich nicht einfach viehisch und absurd, sondern absurder als jede Absurdität und viehischer als alles, was es beim Vieh gibt, dass ein Mensch von menschlichem Fleisch isst und das Blut trinkt von solchen, die vom selben Stamm und Geschlecht sind, und dass er dadurch das ewige Leben erwirbt.“ (Nr. 69, Makarios III, 15)

 

JULIAN (332 - 363)

 

Auch die Schrift „Gegen die Galiläer“ fiel schon kurz nach dem Tod des Julian der christlichen Vernichtung anheim. Sie wurde aus dem Versuch einer Widerlegung durch den Kirchenlehrer Kyrill (gest. 444) rekonstruiert. Julian ist - anders als Celsus und Porphyrios - nicht nur Intellektueller, sondern noch dazu für drei Jahre Intellektueller auf dem Kaiserthron. Er überlebte das Verwandtengemetzel nach Konstantins Tod - und schließt später angsterfüllt aus diesen Erlebnissen, „dass selbst die Raubtiere dem Menschen nicht so feindlich gesinnt sind wie die Christen gegeneinander!“

 

Mehr durch Zufall am Leben geblieben und jahrelang in einer entlegenen Burg im Herzen Anatoliens inhaftiert, erhielt Julian zunächst eine Ausbildung als Priester, bevor er zwanzigjährig zum Studium aufbrechen durfte. Unter strengster Geheimhaltung konvertierte er zum Heidentum der Vorväter. Dann, 355, wurde er von Konstantius zum Cäsar ernannt und als Statthalter nach Gallien geschickt. 360 wurde er im Verlaufe einer Meuterei unter Androhung des Todes dazu gezwungen, selbst Augustus zu werden - „ungern genug, das wissen die Götter“, schrieb er dazu später. Ein Intellektueller und Asket als Kaiser, das hatte es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben und das gibt es bis heute nur selten. Von Julian stammt der Satz: „Ihr seid so elend, dass ihr nicht einmal dem treu bleibt, was die Apostel euch überliefert haben.“ Hier widerspiegelt sich der Rollenwechsel des Christentum, als es nicht mehr Vorstellungswelt einer unterdrückten Minderheit, sondern Staatsreligion von Herrschenden wurde. Julian beklagt die Intoleranz der vermeintlich einzigen Wahrheit.

 

Julian führte die Glaubensfreiheit wieder ein. Das Christentum wurde nicht, wie oft zu lesen ist, verboten, sondern seiner Rolle als alleiniger Staatsreligion enthoben. Außerdem verbot Julian christlichen Lehrern am 17. Juni 362 das Lehren griechischer Literatur. Sie sollten stattdessen in die Kirchen gehen, „um Matthäus und Lukas auszulegen“. Er belebte die alte polytheistische Religion und untersagte christlichen Geistlichen, als Notare „sich das Erbe anderer anzueignen und sich selbst alles zu überschreiben“.

 

363, mit 32 Jahren, wurde Julian während eines Feldzuges ermordet. Die Christen feierten seinen Tod mit Gastmählern, Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen. Bilder und Inschriften des Julian wurden vernichtet. Julian ging als „Julian Apostata“, d.h. Julian der Abtrünnige in die christlich inspirierte Geschichtsschreibung ein. Julian galt nach den Worten eines Kirchenführers als „Schwein, das sich im Schmutze wälzt“. Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer neue und immer schlimmere Schauergeschichten über Julian erfunden, der im Mittelalter als Monstrum gezeichnet wurde. Das Zerrbild wurde erst während der Renaissance und der Aufklärung wieder korrigiert.

 

1.  Julian spricht vom Christentum als „Erfindung“. „Es scheint mir angebracht, jedermann die Gründe darzulegen, die mich überzeugt haben, dass die trügliche Lehre der Galiläer eine aus Bosheit angestiftete Erfindung von Menschen ist.“ (Neumann, K.J.: Kaiser Julians Bücher gegen die Christen, 1880, 3, zit. n. Deschner, Karlheinz: Das Christentum im Urteil seiner Gegner, Frankfurt/Berlin 1990, 44).

2.  Julian betont, dass kein einziger zeitgenössischer Schriftsteller die Christen „überhaupt erwähnt“ habe. (Der Kaiser der Römer gegen den König der Juden. Aus den Schriften Julians des Abtrünnigen, 1941, zit. n. Deschner, Das Christentum im Urteil seiner Gegner, Frankfurt/Berlin 1990, 50)

3.  Julian zeigt auf, wie die christliche Lehre im Laufe der Zeit immer phantastischere Dimensionen annimmt. Er weist darauf hin, dass Jesus erstmals von Johannes als „Gott“ bezeichnet wird. Er zieht daraus den Schluss: „Ihr seid so elend, dass ihr nicht einmal dem treu bleibt, was die Apostel euch überliefert haben...“ (Neumann, a. a. O., 42)

4.  Besonders widersinnig erscheint Julian, dass der Christengott seinen Anhängern „die Kenntnis des Unterschiedes von gut und böse vorenthält ... und dabei gibt es nichts, was für denselben größeren Wert hätte.“ Er kommt zum Ergebnis, dass „der Einfluss der Schlange auf die menschliche Entwicklung ... ein wohltätiger und keineswegs ein verderblicher“ war. Der christliche Gott sei neidisch, eifersüchtig und den Menschen gegenüber missgünstig. (Neumann, a. a. O., 6f)

5.  Julian kritisiert, dass Jesus die „schlechtesten Leute“ überredet habe. Er führt darauf die christliche Intoleranz zurück, die „Tempel und Altäre einreißen“ würden und „niedermetzeln“, wer anderer Meinung als sie selbst sei, auch die sog. „Ketzer“. Er lastet dies den Lebenden persönlich an, „denn weder Jesus noch Paulus haben euch das geheißen, schon aus dem einfachen Grunde, weil sie sich gar nicht erst zu der Hoffnung verstiegen haben, ihr könntet jemals solche Macht erlangen.“ (Der Kaiser der Römer..., 50)

6.  Julian sagt von Paulus, dass er „alle Gaukler und Betrüger aller Orte und aller Zeiten“ übertreffe; er habe „mit Rücksicht auf den Erfolg“ die Lehre des Jesus Christus verändert. Denn Jesus habe nur vom Gott der Juden gesprochen; Paulus aber habe behauptet, dieser Gott sei auch der Gott der Heiden. Julian fragt: „Warum ... hat Gott uns nicht beachtet, wenn er wirklich unser aller Gott ist...“ (Neumann, 12f)

7.  Julian wirft den Christen nicht nur den Bruch mit der Tradition vor; sie hätten auch „die fromme Scheu gegen die gesamte höhere Natur“ aufgegeben, alles mit der Begründung, man könne sein früheres Leben (durch Taufe) „abwaschen“. Er fragt, wieso die Taufe, die keinerlei körperliche Leiden wegzaubern könne, ausgerechnet die „sittlichen Fehler“ tilgen können soll. (Neumann, 32f)

8.  Auch Julian hält die Christen für Barbaren: „Unser ist die Literatur und das Hellenentum, denn unser ist auch die Verehrung der Götter; euer aber ist der Mangel an literarischer Kultur und rüde Unbildung, und eure Weisheit hat nichts, was über das Gebot `Sei gläubig´ hinausgeht.“ (Aus dem Schreiben zum Rhetorenedikt, in: Julian: Briefe, griechisch-deutsch, hg. v. B. K. Weis, 1973, 205)

9.  Julian übt Toleranz gegenüber den Christen: „Es ist, bei den Göttern, mein Wille, dass die Galiläer weder getötet noch zu Unrecht geschlagen werden, noch sonst eine Unbill erleiden.“ Andererseits weist er sie klar in ihre Schranken: „...jedoch erkläre ich, dass die Verehrer der Götter durchaus den Vorrang vor ihnen haben müssen. Denn wegen der Torheit der Galiläer wäre um ein Haar alles umgestürzt worden...“ (Julian, Briefe, a. a. O., 157ff.)


Literatur:

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